Sonntag, 10. November 2013

REISEN IST DIE SEHNSUCHT NACH DEM LEBEN. KURT TUCHOLSKY

REISEN IST DIE SEHNSUCHT NACH DEM LEBEN.  KURT TUCHOLSKY

Ich habe Ihnen liebe Leser(innen) versprochen,  von meiner weiteren Reise in den Norden zu erzählen.
Bis Hamburg waren wir ja schon gekommen. Jetzt heißt es wieder Koffer packen. Wir starten  mit unserem gemieteten schwarzen Polo Richtung Schleswig Holstein.
Unser angepeiltes erstes Ziel für heute ist Timmendorf. Dort wollen wir uns mit meiner Cousine Suzy und ihrer Tochter treffen um dann weiter unser heutiges Ziel Hohwacht zu erreichen. Wir fahren durch eine herbstliche Landschaft im Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen.
Die Vielfalt der Farbskala der Blätter... Von gelb, orange, rötlich in allen erdenklichen Farbschattierungen. Die Bilder der zumeist flachen Landschaft, der Wiesen und Felder, fliegt an uns vorbei. In mir wächst von Minute zu Minute die Vorfreude. Mein Cousinchen, wir haben uns das letzte Mal im Sommer beim wunderschönen Attersee gesehen. Müssen uns immer nach ein paar Tagen wieder trennen um festzustellen, dass Wien und Detmold viel zu weit auseinander sind.

So viele Gedanken gehen mir durch den Kopf auf dem Weg nach Schleswig Holstein, wo die Wurzeln der Familie meiner Mama sind.
Mama war vor vielen Jahrzehnten  in Wien gelandet. Fern von ihrer Familie. Sie, die offenbar auf einer Reise in Stettin geboren wurde.  Als Kleinkind In Schleswig Holstein zwei Jahre aufwuchs und dann in ihr geliebtes Berlin kam. In Greifswald im Arbeitsdienst lernte sie meinen Vater kennen, der dort Medizin studierte. Flüchtete dann mit ihm, sie Deutsche, er tschechischer Staatsbürger, über Prag nach Wien, wo sie dann 1945 heirateten.
Meine Gedanken landen wieder, als wir durch das zauberhafte Lübeck fahren.

Wenig später kann ich  in Timmendorf, einem extrem chicen Ostseebadort, mein Cousinchen in die Arme schließen.
Wir gehen zum Strand, am Strand im Sand entlang, und ich bleibe alle paar Meter stehen… habe ja noch nie die Ostssee gesehen... kenne die Adria. Aber dieser Blick über das Wasser, das unendlich zu sein scheint,  beeindruckt mich sehr. Ich wünsche mir da ewig stehen bleiben zu können und nur einfach auf das Meer zu schauen.
Die Fahrt nach Hohwacht ist nicht lange und unser Polo parkt vor einer hübschen kleinen Pension, die uns die nächsten Tage beherbergen wird.

Es ist schon dunkel geworden und ich bin neugierig, wie die Umgebung hier aussieht, wenn uns hier der Morgen mit einem „Moin, moin" begrüßen wird.
Am Abend geht’s noch kurz in Cousinchen`s  Appartement. Bei einem Gläschen Wein und einem gezeichneten Stammbaum betreiben wir Ahnenforschung. Wünschen, wir hätten besser aufgepasst, wenn meine Mama und Suzys Papa (Mamas Bruder) uns von früher erzählt haben. Wir tragen Geschichten zusammen, und  irgendwie sind uns viele früher im ganz gleichen Wortlaut erzählt worden.

Später schlafen wir in unserer kleinen, adretten, liebevoll gepflegten Pension ganz wunderbar. Die Seeluft hat uns müde gemacht. Neugierig luge ich am nächsten Morgen aus dem Fenster und entdecke ein reetgedecktes Dach. Ich juble, Mama hat immer davon erzählt.


 

Meine geliebte Suzy will mir die Heimat meiner Familie zeigen... Wir fahren zum Selenter See mit Suzys flottem Mini. Was für ein schöner Anblick!
Langsam werde ich aufgeregt. Wir wollen nach Giekau fahren. Dort ist unsere gemeinsame Oma begraben.

Und was für andere Romeo und Julia ist, ist für uns unsere Oma Trude, die ihren Fritz, ihre große Liebe gefunden hatte. Er stirbt im Lazarett und hinterläßt meinen Onkel Kurt, Suzys Vater, und seine geliebte Trude, nicht ohne sie, falls es einmal nötig wäre,  seinem Bruder Heinrich anzuvertrauen. Der nimmt, nachdem sein Bruder Friedrich stirbt, diese Aufgabe von ganzem Herzen gerne an. Hatte er sich seinerzeit doch in die wunderschöne Trude verliebt. Sie hatte aber seinen Bruder Friedrich vorgezogen. Doch jetzt darf er sie heiraten, und aus der Ehe zwischen Trude und Heinrich geht eine kleine Tochter hervor.
Meine Mama. -  Als Trude wieder schwanger wird, möchte sie das Kind nicht bekommen!
Ihre Liebe gehört noch immer ihrem verstorbenen Fritz. Sie stirbt... Uns wird lange Zeit erzählt, dass sie an einer Lungenentzündung gestorben wäre. Meine Mama ist 18 Monate als ihre Mama stirbt, ihr Brüderchen Kurt noch nicht einmal 6 Jahre.
Aber zurück in die Gegenwart… wir gehen in die Kirche in Giekau und entdecken an der Wandtafel der gefallenen Soldaten den Namen Friedrich... Suzys Opa - Trudes geliebter Fritz. Als wir aus der Kirche treten, zeigt mir Suzy einen Hügel, unter dem das Grab seiner geliebten Trude eingeebnet worden ist.


 

Wenigstens im Tod sind sich ewig in irgendeiner Weise nah.
Wir fahren weiter zum Tröndel, einer kleinen Gemeinde im Kreis Plön,  ca. 5km von Lütjenburg entfernt. Dort kommt unsere Familie her! Schauen uns das reetgedeckte Haus an, das ehemals die Schule war, wo unser Urgroßonkel vier Klassen gleichzeitig unterrichtet hatte.
 


 

Der Gedanke, dass meine Mama und Suzys Papa hier in der Gegend herumgelaufen sind und gelebt haben, berührt uns sehr. Was für ein merkwürdiges Gefühl.
Wir erkunden weiter die Gegend und bestaunen die unendlich weite, abwechslungsreiche Landschaft. Wir erklimmen den Hessenstein, einen  Aussichtsturm, von dem wir einen herrlichen Ausblick haben.
In dem zauberhaften Restaurant „Ole  Liese“ beim umwerfend schönen Gut Panker trinken wir ein Käffchen und schwelgen in der Vergangenheit.

Am Tag darauf ist dann auch schon unsere geliebte schwäbische Familie – vier Mann hoch – da.
Es wird Suzy`s sechzigster Geburtstag gefeiert im irr noblen Hotel Hohwacht. Es ist herrlich … We are family!

In meinem ganzen Leben werde ich den Blick von der Steilküste in Hohwacht nicht vergessen.
Wir haben, wie wir in Wien sagen, im wunderschönen Schleswig Holstein „Kaiserwetter“. Bei strahlendem Sonnenschein, bei 19 Grad jetzt -Ende Oktober -  spazieren wir  die Küste entlang.
Einer der schönsten Plätze, die ich im Leben gesehen habe. Die See macht kaum aushaltbares Fernweh, wie sie so ruhig in den verschiedensten Blauschattierungen vor mir liegt.

Ich wünsche mir so, dass die Zeit stehen bleiben würde. Ewig oder zumindestens ein bisschen.
 
 
 

Am nächsten Tag weht uns der Orkan Christian zuerst  nach Laboe (da muss ich wieder hin, ich bin schon wieder mal verliebt - was für ein süßes Städtchen an der Kieler Förde gelegen) und dann durch Kiel, nach Hamburg und dann mit ordentlichem Rückenwind nach Wien…

Ich möchte dem lieben Gott einfach nur  danken, für die wunderschönen Tage, die ich dort erleben durfte!

 

 

 

 

 

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