REISEN IST DIE SEHNSUCHT NACH DEM LEBEN. KURT TUCHOLSKY
Ich habe Ihnen liebe Leser(innen) versprochen, von
meiner weiteren Reise in den Norden zu erzählen.
Bis Hamburg waren wir ja schon gekommen. Jetzt heißt es wieder Koffer packen. Wir starten mit unserem
gemieteten schwarzen Polo Richtung Schleswig Holstein.
Unser angepeiltes erstes Ziel für heute ist Timmendorf. Dort
wollen wir uns mit meiner Cousine Suzy und ihrer Tochter treffen um dann weiter
unser heutiges Ziel Hohwacht zu erreichen. Wir fahren durch eine herbstliche Landschaft im Sonnenschein
bei angenehmen Temperaturen.
Die Vielfalt der Farbskala der Blätter... Von gelb, orange,
rötlich in allen erdenklichen Farbschattierungen. Die Bilder der zumeist
flachen Landschaft, der Wiesen und Felder, fliegt an uns vorbei. In mir wächst
von Minute zu Minute die Vorfreude. Mein Cousinchen, wir haben uns das letzte
Mal im Sommer beim wunderschönen Attersee gesehen. Müssen uns immer nach ein
paar Tagen wieder trennen um festzustellen, dass Wien und Detmold viel zu weit
auseinander sind.
So viele Gedanken gehen mir durch den Kopf auf dem Weg nach
Schleswig Holstein, wo die Wurzeln der Familie meiner Mama sind.
Mama war vor vielen Jahrzehnten in Wien gelandet. Fern von ihrer Familie. Sie,
die offenbar auf einer Reise in Stettin geboren wurde. Als Kleinkind In Schleswig Holstein zwei Jahre aufwuchs und dann in ihr geliebtes
Berlin kam. In Greifswald im
Arbeitsdienst lernte sie meinen Vater kennen, der dort Medizin studierte.
Flüchtete dann mit ihm, sie Deutsche, er tschechischer Staatsbürger, über Prag
nach Wien, wo sie dann 1945 heirateten.
Meine Gedanken landen wieder, als wir durch das zauberhafte
Lübeck fahren.
Wenig später kann ich in Timmendorf, einem extrem chicen
Ostseebadort, mein Cousinchen in die Arme schließen.
Wir gehen zum Strand, am Strand im Sand entlang, und ich
bleibe alle paar Meter stehen… habe ja noch nie die Ostssee gesehen... kenne die Adria. Aber
dieser Blick über das Wasser, das unendlich zu sein scheint, beeindruckt mich sehr. Ich wünsche mir da ewig
stehen bleiben zu können und nur einfach auf das Meer zu schauen.
Die Fahrt nach Hohwacht ist nicht lange und unser Polo parkt
vor einer hübschen kleinen Pension, die uns die nächsten Tage beherbergen wird.
Es ist schon dunkel geworden und ich bin neugierig, wie die
Umgebung hier aussieht, wenn uns hier der Morgen mit einem „Moin, moin"
begrüßen wird.
Am Abend geht’s noch kurz in Cousinchen`s Appartement. Bei einem Gläschen Wein und
einem gezeichneten Stammbaum betreiben wir Ahnenforschung. Wünschen, wir hätten besser
aufgepasst, wenn meine Mama und Suzys Papa (Mamas Bruder) uns von früher erzählt
haben. Wir tragen Geschichten zusammen, und irgendwie sind uns viele früher im ganz gleichen
Wortlaut erzählt worden.
Später schlafen wir in unserer kleinen, adretten, liebevoll
gepflegten Pension ganz wunderbar. Die Seeluft hat uns müde gemacht. Neugierig luge ich am
nächsten Morgen aus dem Fenster und entdecke ein reetgedecktes Dach. Ich juble,
Mama hat immer davon erzählt.
Meine geliebte Suzy will mir die Heimat meiner Familie
zeigen... Wir fahren zum Selenter See mit Suzys flottem Mini. Was für ein
schöner Anblick!
Langsam werde ich aufgeregt. Wir wollen nach Giekau fahren.
Dort ist unsere gemeinsame Oma begraben.
Und was für andere Romeo und Julia ist, ist für uns unsere
Oma Trude, die ihren Fritz, ihre große Liebe gefunden hatte. Er stirbt im
Lazarett und hinterläßt meinen Onkel Kurt, Suzys Vater, und seine geliebte Trude,
nicht ohne sie, falls es einmal nötig wäre, seinem Bruder Heinrich
anzuvertrauen. Der nimmt, nachdem sein Bruder Friedrich stirbt, diese Aufgabe von
ganzem Herzen gerne an. Hatte er sich seinerzeit doch in die wunderschöne Trude verliebt.
Sie hatte aber seinen Bruder Friedrich vorgezogen. Doch jetzt darf er sie
heiraten, und aus der Ehe zwischen Trude und Heinrich geht eine kleine
Tochter hervor.
Meine Mama. - Als Trude wieder schwanger wird, möchte sie
das Kind nicht bekommen!
Ihre Liebe gehört noch immer ihrem verstorbenen Fritz. Sie stirbt... Uns wird lange Zeit erzählt,
dass sie an einer Lungenentzündung gestorben wäre. Meine Mama ist 18 Monate als ihre Mama stirbt, ihr Brüderchen Kurt noch nicht einmal 6 Jahre.
Aber zurück in die Gegenwart… wir gehen in die Kirche in
Giekau und entdecken an der Wandtafel der gefallenen Soldaten den Namen
Friedrich... Suzys Opa - Trudes geliebter Fritz. Als wir aus der Kirche treten,
zeigt mir Suzy einen Hügel, unter dem das Grab seiner geliebten Trude
eingeebnet worden ist.
Wenigstens im Tod sind sich ewig in irgendeiner Weise nah.
Wir fahren weiter zum Tröndel, einer kleinen Gemeinde im Kreis Plön, ca. 5km von Lütjenburg entfernt. Dort kommt unsere
Familie her! Schauen uns das reetgedeckte Haus an, das ehemals die Schule war,
wo unser Urgroßonkel vier Klassen gleichzeitig unterrichtet hatte.
Der Gedanke, dass meine Mama und Suzys Papa hier in der
Gegend herumgelaufen sind und gelebt haben, berührt uns sehr. Was für ein
merkwürdiges Gefühl.
Wir erkunden weiter die Gegend und bestaunen die unendlich
weite, abwechslungsreiche Landschaft. Wir erklimmen den Hessenstein, einen Aussichtsturm, von dem wir einen herrlichen
Ausblick haben.
In dem zauberhaften Restaurant „Ole Liese“ beim umwerfend schönen Gut Panker
trinken wir ein Käffchen und schwelgen in der Vergangenheit.
Am Tag darauf ist dann auch schon unsere geliebte
schwäbische Familie – vier Mann hoch – da.
Es wird Suzy`s sechzigster Geburtstag gefeiert im irr
noblen Hotel Hohwacht. Es ist herrlich … We are family!
In meinem ganzen Leben werde ich den Blick von der
Steilküste in Hohwacht nicht vergessen.
Wir haben, wie wir in Wien sagen, im wunderschönen
Schleswig Holstein „Kaiserwetter“. Bei strahlendem Sonnenschein, bei 19 Grad jetzt -Ende Oktober - spazieren wir
die Küste entlang.
Einer der schönsten Plätze, die ich im Leben gesehen habe. Die See macht kaum aushaltbares
Fernweh, wie sie so ruhig in den verschiedensten Blauschattierungen vor mir liegt.
Ich wünsche mir so, dass die Zeit stehen bleiben würde. Ewig
oder zumindestens ein bisschen.
Am nächsten Tag weht uns der Orkan Christian zuerst nach Laboe (da muss ich wieder hin, ich bin
schon wieder mal verliebt - was für ein süßes Städtchen an der Kieler Förde
gelegen) und dann durch Kiel, nach Hamburg und dann mit ordentlichem Rückenwind
nach Wien…
Ich möchte dem lieben
Gott einfach nur danken, für die wunderschönen Tage, die ich dort erleben durfte!
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